Teil 4: Die MDR - Herausforderungen und Chancen für Unternehmen
Teil 4: Die MDR - Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

Teil 4: Die MDR - Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

18.08.2020
Nicht wenige Hersteller haben in der Vergangenheit im Bereich Quality Management und Regulatory Affairs Personal abgebaut, weil man auch mit wenig Personal den damaligen Anforderungen genüge tat. Dieses Know-how wird jedoch heute dringend gebraucht.

TEIL 4/10

Unser ausführlicher Bericht zu den Änderungen durch die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) gliedert sich in 10 Abschnitte. Diese werden wir hier fortlaufend für Sie freischalten.


Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

Nicht wenige Hersteller haben in der Vergangenheit im Bereich Quality Management und Regulatory Affairs Personal abgebaut, weil man auch mit wenig Personal den damaligen Anforderungen genüge tat. Dieses Know-how wird jedoch heute dringend gebraucht. Vorhandene Mitarbeiter sind häufig nicht in der Lage, diese zusätzliche Aufgabe in Quality Management und Regulatory Affairs zu übernehmen oder es mangelt ihnen an der notwendigen Qualifikation.

Im Vergleich zum früheren Sicherheitsbeauftragten hat die Qualified Person jetzt erweiterte Befugnisse und Zuständigkeiten – sie trägt rund um die Uhr die gesetzliche Verantwortung dafür, dass ein Produkt anforderungskonform in den Markt kommt.

In vielen Unternehmen fehlt es jedoch an Personal, das über eine entsprechende akademische Ausbildung oder über die, in der MDR Artikel 15 geforderte, vierjährige Berufserfahrung in Quality Management und Regulatory Affairs für Medizinprodukte verfügt. Auch wer bereits eine akademische Ausbildung mitbringt, muss zusätzlich noch eine mindestens einjährige Berufserfahrung in Quality Management oder Regulatory Affairs vorweisen. Häufig werden Produktentwickler für diese Aufgabe angesprochen. Sie haben zwar ein gutes technisches Verständnis für Produkte, sind jedoch von ihrem Mindset her oft eher kreativ und damit nicht unbedingt die Idealbesetzung für den vorwiegend regulatorisch geprägten Job einer Qualified Person. In der Funktion findet man auch Quereinsteiger wie Mediziner, Chemie-, Pharma- und Lebensmittelingenieure. Denen mangelt es aber zumeist an einer genauen Kenntnis des Medizintechnikmarktes. Da es momentan nur wenige State-of-the-Art Studiengänge für Medizintechnik gibt und auch hier die entsprechenden Module fehlen, fällt es den Unternehmen zudem schwer, Mitarbeiter im Rahmen von Executive Education-Programmen weiterzuqualifizieren.

Mit der gestiegenen Anforderung an eine Qualified Person ist auch eine persönliche Haftung bei Schadensfällen verbunden. Hat die Qualified Person ihre Verpflichtungen bei der Konformitätsbewertung, der Freigabe der Produkte, der Aktualisierung der Design Dossiers oder der Vorkommnismeldung verletzt, muss auch der Mitarbeiter persönlich dafür einstehen. Jedes Ereignis bei einem bereits im Markt befindlichen Produkt, bei dem ein Produktmangel die Ursache für eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist, muss umgehend an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) bzw. künftig an die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED), gemeldet werden.

Vor dem Hintergrund dieser Verantwortung haben die Bewerber auf eine solche Position erwartungsgemäß auch eine höhere Gehaltserwartung als die bisherigen Sicherheitsbeauftragten. Nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, hier marktgerechte Gehälter zu zahlen. Gerade die kleineren Hersteller stoßen bei einem Jahresgehalt von € 80.000-120.000 Euro für eine Qualified Person schnell an ihre finanziellen Grenzen.

Nur Klein- und Kleinstunternehmen ist es gestattet, die Qualified Person auszulagern. Dabei handelt es sich um Unternehmen, deren Umsatz/Jahresbilanz bei weniger als 50 Mitarbeitern 10 Millionen Euro nicht überschreitet. Bzw. die bei weniger als 10 Mitarbeitern nicht über 2 Millionen Euro liegt. Abhängig von der Größe des jeweiligen Produktportfolios reicht bei großen Herstellern und teilweise auch schon bei Mittelständlern eine Qualified Person nicht aus, um den neuen gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Als Beratungshaus kann Nemius bei Bedarf ggf. als externe Qualified Person unterstützen.

Möchte ein Unternehmen, das nicht in der EU ansässig ist, sein Produkt in der Europäischen Union vermarkten, kann Nemius ebenfalls helfen. In diesem Fall ist es möglich, dass die Beratung den gesetzlich vorgeschriebenen EU Authorized Representative (EAR oder EC REP) stellt. 

Aufgaben der Qualified Person nach Artikel 15 MDR

  • Prüfung der Konformität der Medizinprodukte in Übereinstimmung mit dem QM-System
  • Erstellung und ständige Aktualisierung des Design Dossiers
  • Marktüberwachung (Post Market Surveillance)
  • Erfüllung der Meldepflichten gemäß den EU-Richtlinien
  • Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen an das Produkt für jede vom Unternehmen gefertigte Charge

Eine weitere Herausforderung für die Hersteller liegt in den durch die MDR gestiegenen Anforderungen an die Marktüberwachung (Post Market Surveillance). Dabei geht es insbesondere um folgende Punkte:

  • Prüfen der Leistungsfähigkeit des Produkts in der praktischen Anwendung
  • Systematisches Erkennen von möglichen Risiken beim praktischen Gebrauch des Produktes
  • Aufspüren von Produktfehlern und bislang unentdeckt gebliebenen Sicherheitsproblemen
  • Regelmäßiges Aktualisieren der Nutzen-Risiko-Bewertung
  • Sofortiges Einleiten von erforderlichen Maßnahmen (z.B. Rückrufe)
  • Reporting an EUDAMED/Benannte Stelle

Grundlage dafür ist die europäische Verordnung (EU) 2019/1020. Diese regelt die europäische Marktüberwachung und Konformität von Produkten neu und wurde zum 1. Januar 2020 wirksam. In diesem Zusammenhang wurde die Marktüberwachung in Deutschland neu organisiert. Am 26. Mai 2020 wurden das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter dem Dach des BfArM zu einer Behörde vereint. Zudem wurden Kompetenzen, die vorher bei den einzelnen Regierungspräsidien lagen, nun beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als zentraler Aufsichtsbehörde gebündelt.

Als Konsequenz aus dem Brustimplantat-Skandal will es der Gesetzgeber jedoch nicht bei den neuen Verordnungen belassen, sondern setzt diese auch stringenter durch z.B. in Form von unangekündigten Kontrollen. So können die zuständigen Überwachungsbehörden sämtliche Kosten, die ihnen im Rahmen dieser Tätigkeit entstehen – wie für Laboruntersuchungen, Rückrufmaßnahmen, Kommunikationsmaßnahmen – dem jeweiligen Hersteller in Rechnung stellen. Darüber hinaus müssen Hersteller ohne Sitz in der Europäischen Union, die Medizinprodukte im Europäischen Wirtschaftsraum vertreiben möchten, einen Bevollmächtigten (EAR bzw. EC REP) beschäftigen, der hier im Namen des Herstellers handelt. Obwohl er selbst nicht die Verantwortung für die Medizinprodukte trägt, fungiert der Bevollmächtigte dennoch als Ansprechpartner gegenüber den zuständigen Behörden und haftet hinsichtlich der Anwendung der Produkte.

Stakeholder: Pascal Lindemann, LIME medical

Für LIME medical zählt allein die Kompetenz, benötigt werden Arbeitskräfte, die die inhouse vorhandene Expertise unseres Start-Ups ergänzen. Die Mitarbeiter von Nemius sind individuell hochqualifiziert und bereit, immer wieder Fortbildungen zu machen. Das zeichnet Nemius gegenüber anderen Beratungsfirmen aus. Von Vorteil ist auch, dass Thorsten Schmitt und sein Team Erfahrungen mit vielen Unternehmen sammeln und wir als Kunde davon profitieren. Nemius verfügt über ein großes Netzwerk aus eigenen Mitarbeitern und Externen und stellt dieses seinen Kunden situations- und anforderungsspezifisch zur Verfügung. So haben wir als Hersteller immer den richtigen Experten an Bord.

Stakeholder: Ralf Stockart, orangedental

Wir werden im Rahmen des Inkrafttretens der MDR sowohl eine Produkt- als auch eine Marktbereinigung erleben. Nischenprodukte, die zwar für den Patienten notwendig, aber keine Umsatzrenner sind, haben den gleichen regulatorischen Aufwand wie ein Blockbuster-Produkt. Dadurch ist die medizinische Versorgung gefährdet. Ich nehme an, dass bis zu 25 Prozent der in Deutschland ansässigen Unternehmen vom Markt gehen oder als verlängerte Werkbank für andere Unternehmen fungieren werden. Bei dem einen oder anderen Unternehmen wird es zu einer Monopolisierung des Angebots kommen. Das ist die Gelegenheit für ausländische Investoren. Diese werden all jene kleinen und mittleren Unternehmen aufkaufen, die die strengen regulatorischen Anforderungen finanziell nicht mehr stemmen können. Kluge Investoren kaufen nicht nur die Firmen, sondern sich auch gleich das regulatorische Know-how dazu.

 

In Teil 5 erwartet Sie: Die haftungsrechtlichen Konsequenzen der MDR